Zwei Stadthälften und Weltanschauungen

Für Berlin kommt hinzu, dass hier die Teilung der Welt in Ost und West mit zwei gegensätzlichen Gesellschaftssystem sichtbarer wird als anderswo: Schon vor dem Bau der Mauer gab es zwei Währungssysteme und zwei Stadtregierungen. Sichtbar auch im Städtebau und in der Architektur des „Wiederaufbaus“:

Im Ostteil der Stadt wird ab 1952 die „Stalinallee“:bild(1) in einem traditionellen am Klassizismus orientierten europäischen und urbanen Stil mit großbürger-lichen Wohnhäuser für „Arbeiter“ entlang einer großzügigen Magistrale gebaut: “National in der Form, sozialistisch im Inhalt.“ Die beiden kuppelbewehrten Turmhäuser am Ende der Stalinallee am Frankfurter Tor stellen sich gestalterisch und städtebaulich in die Tradition der Türme des deutschen und des französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt und des Turmes des Stadthauses.

Im Westteil der Stadt ist der stadtplanerische und architektonische Ansatz ein anderer: Die Charta von Athen, die der CIAM 1933 unter maßgeblicher Leitung Corbusiers verfasste, sieht eine in Funktionsbereiche gegliederte und zonierte Stadt vor, deren verschiedene Zonen durch leistungsfähige Straßen miteinander verbunden werden sollten. Die Charta wird in Deutschland erst nach dem 2. Weltkrieg veröffentlicht und bildet bis ins Bundesbaugesetz von 1960 fortsetzende Leitbild für die Stadtplanung und für den Wiederaufbau des Westteils von Berlin.